Das Technische Innovationszentrum Wolfenbüttel (tiw) geht mit großen Schritten seiner vollständigen Entschuldung entgegen. Der Verein hatte in den vergangenen Jahren mit kostspieligen Sanierungen der denkmalgeschützten Gebäude auf dem Ex-Kasernengelände Am Exer zu kämpfen. „Nun sehen wir aber Licht am Ende des Tunnels“, erklärte bei der Jahresversammlung der Vorstandsvorsitzende, Prof. Dr. Wolf-Rüdiger Umbach.
Es sind nicht zuletzt Grundstücksverkäufe, die zu der positiven Entwicklung beitragen, wie Umbach und Geschäftsführerin Carola Weitner-Kehl erläuterten. So wird im vierten Quartal 2019 die marode Halle Am Exer 41 verkauft und abgerissen. „An dieser Stelle entsteht ein weiteres, dann viertes Studentenwohnheim“, freute sich Umbach, der von einer guten Auslastung der bisherigen drei Wohnheime sprach. „Kein Wunder, dass die Baufirma großes Interesse daran hat, ein weiteres Haus zu bauen. Damit scheint mir der Bedarf am Exer dann allerdings auch befriedigt zu sein.“
Nach dem Verkauf dieser rund 1000 Quadratmeter verfügt der Verein noch über rund 17.000 Quadratmeter. Die Auslastung sei nach wie vor hoch und lag im Jahre 2018 bei 97,5 Prozent, blickte Weitner-Kehl zurück. Bei fast 1,4 Millionen Euro Netto-Mieteinnahmen standen am Ende des Haushaltsjahres 2018 rund 88.700 Euro Gewinn zu Buche.
Investitionen fließen
Und das, obwohl wieder eine Reihe von Investitionen in Gebäude und Infrastruktur flossen. Noch immer nicht abgeschlossen ist die Dachsanierung Am Exer 10 (rund 1,2 Millionen Euro). „Die Handwerker haben Personalnot“, sagte die Geschäftsführerin. „Wir kommen nicht voran wie geplant.“ Weitere 100.000 Euro (hälftig geteilt mit der Stadt
Wolfenbüttel) kostete die Sanierung der Freitreppe vor der Bibliothek. Und gut 80.000 Euro war dem tiw der Abriss und Rückbau der lange brachliegenden, einst militärisch genutzten Tankstelle und der Aufbau einer Elektrotankstelle wert. „Wir freuen uns sehr über diese Kooperation mit den Stadtwerken Wolfenbüttel, die den Strom liefern“, unterstrich Weitner-Kehl. „Bis 2022 ist an zwei Zapfstellen kostenloser Strom zu haben.“
Überhaupt enwickele sich die Ostseite des Exer fantastisch, betonte Umbach. „Wir haben die ehemalige Tankstelle abgerissen und die Grünanlagen aufgewertet. Nun ist nur noch eine alte Halle übrig, dann haben wir in diesem Bereich das gleiche Niveau wie auf der Westseite erreicht.“ Außerdem werde das im Exer-Masterplan fixierte Ziel umgesetzt, erinnerte der ehemalige Ostfalia-Präsident: „Abgängige Hallen abreißen und hochwertige Immobilien errichten, die sich der Optik des Gesamtensembles anpassen.“
Diese letzte Halle (AE37) ist ebenfalls denkmalgeschützt, darf also nicht abgerissen werden. „Wir wollten dort ein Coworking-Space einrichten“, berichtete das Führungsduo. Der Bedarf an solchen offenen Flächen, in denen sich junge Menschen und Gründer treffen und arbeiten können, sei groß. „Wir hatten sogar schon ein komplettes Konzept inklusive Förderzusagen.“ Der Zukunftsfonds Asse wollte sich mit 1,5 Millionen Euro beteiligen, außerdem Stadt und Landkreis Wolfenbüttel mit jeweils 100.000 Euro.
Überraschungen im Untergrund
„Doch obwohl das ein schönes Projekt ist, haben wir davon Abstand genommen“, erklärte Umbach. Denn trotz günstiger Finanzierung wäre ein Unsicherheitsfaktor geblieben für das tiw: „Das Bauherrenrisiko.“ Was dort für unangenehme Überraschungen warten im Untergrund der ehemaligen Kaserne (Baujahr: 1936), weiß niemand. Bauzeit und Baukosten sind stets unsicher. „Es ist Am Exer noch keinem einzigen Architekten gelungen, innerhalb seiner Kostenschätzung zu bleiben“, erinnerte sich Umbach, der einst die Übergabe der Immobilie aus dem Besitz der englischen Armee in die zivile Nutzung begleitet hatte.
„Ein solches Risko können und wollen wir dem Verein nicht aufbürden – schließlich haben wir viel geschafft auf dem Weg des Schuldenabbaus.“ Er plädierte für eine kleine Lösung in mehreren Räumen Am Exer 10, wenn dort 2020 ein Großmieter auszieht. Das begrüßte auch Vorstandsmitglied Winfried Pink, der auf eine ganz aktuelle Offensive der Bundesregierung hinwies: „Sie will Homeoffice fördern. Das läuft einer großen Nachfrage beim Coworking entgegen.“ Und auch sein Vorstandskollege Paul-Werner Huppert warnte davor, dem Verein tiw neue Belastungen aufzusatteln: „Das würde uns überfordern.“
Vielmehr sollen weitere Verkäufe die finanzielle Entlastung beschleunigen. Der ehemalige Hubschrauber-Landeplatz zwischen den Technologie-Gebäuden (TG) 1 und 2 wird an die Stadt verkauft. Nach Abzug einer Summe für Altlastensanierung fließen dadurch rund 912.000 Euro in die Kasse des tiw. Zudem diskutiert der Verein die Errichtung eines Kindergartens. Die Stadt hat einen Bedarf von mindestens 70 Plätzen angemeldet. Und schließlich ist eine Lagerhalle von rund 1000 Quadratmetern Grundfläche in Planung.
Großer Bedarf an Lagerflächen
„Mal sehen, ob wir die nach dem Bau verkaufen oder selbst vermieten“, sagte Weitner-Kehl. „Der Bedarf an Lagerflächen ist enorm.“ Überhaupt zeigte sich der Vorstandsvorsitzende bester Laune. „Von unseren Hochschulden von zehn Milllionen Euro in 2012 sind wir weit entfernt, Ende 2019 sollen es knapp 6,7 Millionen sein – und in zehn bis zwölf Jahren können wir schuldenfrei sein.“
Vorstand und geschäftsführende Vorstand des Vereins (40 Mitglieder, 53 Mieter) wurden einstimmig entlastet, ebenso einstimmig passierte der Haushaltsplan 2019 die Versammlung. Wolf-Rüdiger Umbach entließ die Mitglieder – unter denen diesmal auch Landrätin Christiana Steinbrügge und Bürgermeister Thomas Pink saßen – mit einem ungewohnt optimistischen Ausspruch: „Wir hatten ein gutes Jahr, aber das nächste wird noch besser.“
Zum Bild: Geschäftsführerin Carola Weitner-Kehl inmitten des tiw-Vorstands (von links): Winfried Pink, Prof. Dr. Wolf-Rüdiger Umbach (Vorsitzender) und Paul-Werner Huppert. Es fehlt Prof. Dr. Rosemarie Karger. Die Ostfalia-Präsidentin sitzt ebenfalls im Vorstand.