Ab sofort ist das Lukas-Werk Am Exer ansässig. Brandstiftung als Chance begriffen.
Der Exer in Wolfenbüttel hat einen weiteren Schritt auf dem Weg zum echten „Sozial-Campus“ gemacht: Dieser Tage zog das Lukas-Werk mit seiner Fachambulanz in das Gebäude AE19b ein. Die Einrichtung war kürzlich Opfer der Brandserie in der Innenstadt geworden – das Haus an der Dr.-Heinrich-Jasper-Straße war danach unbewohnbar.
„Mittlerweile betrachten wir diese Katastrophe als Chance“, erklärt Jessica Konik. Sie ist Leiterin der Fachambulanz Wolfenbüttel, steht acht Mitarbeitenden vor und zog mit diesen nun in die Immobilie des Technischen Innovationszentrums Wolfenbüttel (TIW) ein. Zwar sind noch nicht alle Umzugskartons ausgepackt, und auch neue Möbel werden noch geliefert. „Aber wir freuen uns sehr auf die Arbeit hier Am Exer.“
Auch bei Simone Wieczorek ist inzwischen Erleichterung zu spüren, obwohl sie von dem angespannten Immobilienmarkt in der Lessingstadt spricht. „Ein Objekt dieser Größe war nicht leicht zu finden“, sagt die Geschäftsführerin der Lukas-Werk Gesundheitsdienste GmbH (Geschäftsstelle am Rosenwall). Zwar gab es zwei weitere Objekte, die sich aber in schlechtem Bauzustand befanden. „Da hätten wir erst grundsanieren müssen – das war trotz der angebotenen Mietfreiheit für zwölf Monate nichts für uns.“
Denn die Beratung soll umgehend wieder aufgenommen werden, nicht erst Mitte nächsten Jahres. „Das können wir jetzt am Exer gewährleisten“, versichert Jessica Konik, die in vielerlei Hinsicht begeistert ist, obwohl ihre Einrichtung nun raus ist aus der Innenstadt, hin in eine Randlage. „Das ist überhaupt kein Problem. Vielmehr sind wir toll angebunden durch mehrere Buslinien, es gibt reichlich Parkplätze, und die Anonymität unserer Besucher bleibt hier ebenfalls gewahrt – es ist ein Glücksgriff.“
Die Suchthilfe, ambulante Reha, Therapiegruppen: So einiges war gefährdet durch die brandbedingte Unterbrechung. Doch Einrichtungsleiterin und Geschäftsführerin sind nicht wenig stolz darauf, dass alle Klientinnen und Klienten am Ball geblieben sind. „Wir kennen keinen einzigen Abbrecher.“ Zwar hätte es die Möglichkeit gegeben, zur ambulanten Reha nach Braunschweig zu fahren. „Es wollten aber alle lieber mit ihren bekannten Mitarbeitern in Wolfenbüttel weitermachen.“ So wurde eine Therapiegruppe im Cafè Clara eingerichtet, während die Beratung schon Am Exer läuft. „Hier nehmen wir die Therapie auf, sobald alle Möbel da sind.“
Im Lukas-Werk ist man noch immer beeindruckt, wenn das Gespräch auf die Brandnacht kommt. „Um 22.30 Uhr erreichte mich der Anruf, freitags auf einer Feier“, erzählt Jessica Konik. „Ich bin in eine richtige Schockstarre gefallen.“ Immerhin gingen damals nicht nur Möbel, sondern Patientendaten und zahlreiche Technik in Flammen auf. Menschen kamen zum Glück nicht zu Schaden. „Unter dem Dach war damals der Verein „Wolfenbütteler Freundeskreis“ untergebracht“, erzählt sie weiter. Gerade dort wüteten die Flammen besonders, es blieb nichts verschont. Doch genau dieses Beispiel zeigt, wieviel Chance tatsächlich steckt in solch einem Neuanfang: „Zuletzt hatten wir uns etwas auseinandergelebt mit dem Selbsthilfe-Freundeskreis, doch durch den Umzug ist das Verhältnis wieder enger geworden.“ Der Verein residiert nun ebenfalls Am Exer 19b (Telefon 05331/16 58, info@wf-freundeskreis.de). Enger soll auch die Zusammenarbeit mit jenen Institutionen werden, die ohnehin schon angesiedelt sind auf dem „Sozial-Campus“ am Exer: „Es wird einen fruchtbaren Austausch geben mit der Ostfalia/Soziale Arbeit, mit dem DRK, der Lebenshilfe und der Mansfeld-Löbbecke-Stiftung“, erwartet Simone Wieczorek. Austausch von Praktikanten, gemeinsame Veranstaltungen – die Ideen sind vielfältig. Wie alle Einrichtungen dieser Art, so sucht auch die Lukas-Werk Gesundheitsdienste GmbH neue Mitarbeiter. Sozialpädagogen, Psychologen, Ärzte: „Immerhin betreiben wir in der Region sechs Beratungsstellen und eine Suchtklinik.“ Dabei geht es um vielfältige Suchtprobleme. „Von Mediensucht über Spielsucht, Nikotin, Alkohol, Medikamente: Wir beraten, bieten Prävention und Reha.“ Die Süchte der illegalen Drogen sind das Thema des Cafè Clara in der Jägerstraße.
Keine Frage, am Standort Wolfenbüttel hat die Einrichtung nun einen gewaltigen Sprung gemacht. „In der Stadt waren wir viel beengter, hier am Exer wirkt alles hell und freundlich“, schwärmt Jessica Konik. Etwas fehlt allerdings noch in den Räumen: „Die verbrannten Möbel konnten wir gut ersetzen, aber in puncto Deko, Bilder und Therapie-Material sind wir auf Spenden angewiesen.“ Die Fachambulanz freut sich über Geldspenden auf das Konto der Evangelischen Stiftung Neuerkerode, zu der das Lukas-Werk gehört: IBAN DE55 5206 0410 0100 6003 34, Verwendungszweck: Fachambulanz Wolfenbüttel.
Wer direkt etwas zur Einrichtung beisteuern möchte, kann sich bei Jessica Konik unter Telefon 05331/85 86 11 melden.
„Für uns ist die Ansiedlung des Lukas-Werkes im Gebäude Am Exer 19 b/c ebenfalls als Glücksfall zu betrachten, sogar in zweierlei Hinsicht“, führt Dipl.-Kauffrau Carola Weitner-Kehl an, die Geschäftsführerin des TIW. „Erstens freuen wir uns, diese bedeutende und wichtige Wolfenbütteler Einrichtung im Bereich der Suchthilfe am Exer-Standort und als Mieter gewonnen zu haben. Zweitens wurde die etwa 300 Quadratmeter große Mieteinheit nach Auszug des Vormieters GeneXplain GmbH, die nun ins Gebäude AE 10 umgezogen ist, umgehend weiterbelegt.“
Somit konnte der Verein ohne Mieteinbußen sowohl dem einen Unternehmen gerecht werden, sich anhand seines durch die Corona-Zeit bedingten geringeren Mietflächenbedarfs zu verkleinern – und dem anderen Unternehmen helfen, umgehend eine neue Bleibe zu finden. „Die übergangslose und gelungene Um- und Ansiedlung dieser beiden Unternehmen ist nicht zuletzt der kooperativen, konstruktiven und unkomplizierten Zusammenarbeit der beteiligten Akteure zu verdanken“, unterstreicht Carola Weitner-Kehl. „Die gute Zusammenarbeit mit GeneXplain und dem Lukas-Werk zu dieser Zeit haben mir sehr viel Freude bereitet.“